Bei dem Begriff Wirtschaftslehre denke ich oft an den Schulunterricht. In diesem Fach wurde zumindest nach den Hauptschullehrplänen in Nordrhein-Westfalen der Jahre 1971 bis 1977 noch einiges an Grundverständnis für das Zusammenspiel von A wie Arbeit der Menschen, über K wie Kapital oder Geld, U wie Unternehmer oder Arbeitgeber bis Z wie Zusammenhänge oder Abhängigkeiten im Wirtschaftskreislauf vermittelt. Sowohl im kleinen, nationalen und auch internationalem Verbund konnte über das Handeln und seine Auswirkungen gelernt werden.
In der kaufmännischen Berufsschule wurde dann die Wirtschaftslehre gesplittet in die Volkswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftslehre. Mit dem damaligen erlerntem Grundlagenwissen und dem Grundsatz: „Sei auf der Hut, es gibt nichts umsonst“ und „vor einer Entscheidung, schlafe besser eine Nacht darüber“, könnte man meinen, das Leben einigermaßen gut zu meistern.
Ok, zugegeben, damals gab es Begriffe wie Derivate-Handel oder Credit Default Swaps und wie die Neuerfindungen mit Fantasie-Namen heute alle bezeichnet werden zwar noch nicht, aber Begriffe wie z.B. Börse, Aktien, Rentenpapiere, Termin- oder Festgeld, Sparbuch gab es schon. Ebenso wie eine Bank oder Sparkasse in den Grundzügen handelt und weshalb sie so ein wichtiges Unternehmen ist.
Schließlich wurde z.B. die Art der Lohnauszahlung an die Arbeitnehmer vom „Lohntütenball“ umgestellt auf die Überweisung auf ein Konto bei einer Sparkasse oder Bank. Der Postbote war für die Rentner früher einmal der Geldüberbringer, nun wurde ein Konto erforderlich. Also bargeldloser Zahlungsverkehr wurde überall eingeführt. Dieses war für die älteren Menschen auch ein schwieriger Lernprozess, denn sie hatten bisher immer Bargeld zu Hause, bezahlten bar und brachten ihren „Spargroschen“ zur Bank. Ein Girokonto und wie nun der Zahlungsverkehr funktionieren soll, bedurfte dann reichlicher Erklärungen.
Das Hauptthema und die Frage war: „Ist mein Geld sicher?“ Schließlich hatten die Älteren in ihrem Leben schon einiges bezüglich der Sicherheit und den Umgang mit Geld ihrem Leben erlebt. Inflation (z.B. für einen Wäschekorb voll Geld konnte man ein Brot kaufen), Depression, Währungsreform und „Wirtschaftswunder“ seien hier als Stichworte genannt für die wirtschaftlichen Erfahrungen.
Bei einer Sparkasse oder Bank war für die Leute damals das Sparbuch jenes Finanzprodukt, welches sie als „sichere Anlage“ überwiegend betrachteten. Wer als „Kleiner Mann“ sich etwas leisten wollte, wie z.B. ein Haus bauen, dazu gab es die Hypothek von der Bank oder Sparkasse. Mit Erspartem und Eigenleistungen sollte die restliche Finanzierung so gering wie möglich ausfallen. Allerdings wurde versucht sie so schnell wie möglich auch wieder abzuzahlen. Möglichst schuldenfrei wollte man sein. Kredite für Autos oder Urlaub wurden jedenfalls nicht als selbstverständlich angesehen. „Mit dem Einkommen auskommen“ war ein Grundsatz. Sollte es auch heute noch sein.
An der Börse in Aktien oder in Rentenpapieren zu investieren war in der Gesellschaft nicht weit verbreitet. Die eigentliche Aufgabe der Börse ist es einen Preis oder Wert für eine Aktie eines Unternehmens darzustellen sowie Käufer und Verkäufer zusammen zu bringen. Vergleichbar mit dem örtlichen Markt, auf dem der Gemüsebauer sein Gemüse anbietet und der Kunde dieses kauft.
Galten Investitionen an der Börse doch als Risiko-Anlage, wo man alles verlieren kann, wenn es schlecht läuft. In guten Zeiten können allerdings höhere Gewinne erzielt werden als beim einfachen Sparen. Als sogenannter „Kleiner Mann“, wagten solche Anlagen nur wenige und beachteten den Grundsatz: „Heute kaufen, 30 Jahre vergessen, im Alter auszahlen lassen“.
Das „Schnelle Geld“ oder „kurzfristig hohe Erträge“ zu erzielen durch die Schwankungen Aktienkurse war in der Mentalität der Menschen weniger enthalten, als es heutzutage propagiert und auch umgesetzt wird. Die schiere Gier nach immer mehr Geld in immer kürzerer Zeit zu erwirtschaften, wie sie heutzutage z.B. von Bankvorständen, Hedge-Fond-Manager in Aktiengesellschaften oder von einigen windigen Leuten versucht wird, hat sich als „Geschäftsmodell“ durchgesetzt. Allerdings die Gefahr des Scheiterns dieses Modells wurde zwischenzeitlich fasst vergessen bzw. als gering bis nicht gegeben eingestuft verbreitet.
Die Bildungslücke über Sicherheiten und Risiko bei wirtschaftlicher Teilnahme im Finanzsystem erscheint meines Erachtens jedenfalls riesig, wenn man die Fernsehberichte dieser Tage verfolgt. Dieses Problem zieht sich nach meiner Auffassung durch alle Bereiche der Gesellschaft. Es hat sich eingeschlichen oder durch die geschickte Werbung in öffentlich zugänglichen Medien transportiert, der Grundsatz: Sie können blind vertrauen was sie hören oder lesen. Rundherum alles sicher – hohe Renditen – einfach Sorglos-Paket – Wir machen das für Sie -, könnte man als Schlagworte zur unkritischen Reflektion anführen. Diesen Versprechungen wurde geglaubt.
Selbst Vertretern aller Koleur wird unreflektiert abgenommen, was sie von sich geben. Tolle Versprechungen, welche dann aber nicht mehr stimmen, wenn schlechte Grundlagen, die Grundvorstellung von Kurzfristigkeit mit hohem Gewinn, Abzockermethoden oder Schneeballsysteme zugrunde liegen.
Beispiel gefällig? Bitte schön! Gerade in diesen Tagen tauchte ungefragt und unangemeldet jemand hier auf und meinte: In diesen unsicheren Zeiten könnte man sein Geld in eine sichere Anlage wie ein Faksimile anlegen, welche nur eine geringe Stückzahl hätten.
Aber mal nachgedacht: Also Geld für so ein „Sonder-Zettelchen-Teuer-Stück“ ausgeben? Was kann man damit tun? Nahrungsmittel kaufen jedenfalls nicht! Und lässt sich solch ein „Stück“ wieder in Geld tauschen? Wohl nur möglich, wenn man auf einen entsprechenden Liebhaber stößt, der es denn kaufen möchte. Dazu kommt noch die schwierige Preisbildung: Zuviel zahlen oder zu wenig zurückbekommen von dem Preis, den man gezahlt hat, möchte auch keiner der Beteiligten. Also kommt die Schlussfolgerung: Nix wie Geldabzocke! Provisions-Abkassierung-Modell für unkritische Kunden!
Die gleiche Masche wird u.U. angewendet, wenn jemanden etwas anderes für soooo-toll-propper angeboten wird, wo er nicht nachgefragt hat. Besonders verdächtig oder stutzig werden sollte man, wenn es heißt: Das Angebot gilt nur heute! Bitte sofort unterschreiben! – Finger weg davon, kann nur die richtige Handlung sein. Was es morgen nicht mehr auf dem Markt gibt, hat dann wohl keinen wirklichen Wert oder Bestand.
Wie bitter es sein kann, diesen tollen Versprechungen ungeprüft über die vielen zugänglichen Möglichkeiten (z.B. Nachfrage bei eigenen Kindern, Verbraucherschutzorganisation, Stiftung Warenstest oder im Internet als neues Medium) vertraut zu haben, zeigt sich in der jetzigen Finanzkrise, welche um die ganze Welt reicht.
Milliarden-Rettungspakete von den verschiedenen Staaten der Welt werden geschnürt und dem Finanzsystem zugeführt, damit wieder Normalität möglich wird. Durch die Absicherung der „Spargroschen“ des Kunden sowie den Garantien um den Interbanken-Handel wieder anzukurbeln kann aber Vertrauen nicht erkauft werden. Vertrauen ergibt sich aus gegenseitigen zuverlässigen, bestandskräftigen Aussagen und Handeln.
Auch die Börsen reagieren kurzfristig positiv auf solche Maßnahmen, um dann wieder mit roten Zahlen zu erscheinen. Doch werden sie wie ein „Fieberthermometer“ der Wirtschaft gedeutet. Der Verlauf des Dax-Indizes spiegelt so zu sagen den Zustand der realen Wirtschaft mit einem halben Jahr Zeitabstand. Deshalb wird schnell von allen Regierungen gehandelt, damit es hier durch die bisher nur im Finanzsektor vor sich gehenden Geschehnisse nicht auf die reale Wirtschaft durchschlägt. Doch dieses ist wohl scheinbar nur ein frommer Wunsch oder Hoffnung. Dafür wird jetzt an einem zusätzlichem Rettungspaket II auf EU-Ebene gebastelt.
Damit so etwas nicht noch einmal geschehen kann, sollten nun neue Bestimmungen formuliert werden, sowohl national, Europa weit als auch Welt weit. Die Schließung des „Spielkasinos mit weltweiten Auswirkungen“ auf dem Finanzsektor ist unumgänglich. „Die Bank ist gesprengt!“ – wie es im Spielkasino möglich ist, darf es im normalem Finanzbereich nicht geben. Wer bisher die Auffassung vertrat: „der Markt braucht keine Regeln, er richtet alles selbst“ hat jetzt erlebt wie wirtschaftlich gründlich er auch sein eigenes Finanzsystem hinrichten kann.
Hoffentlich war diese Nachhilfe in Wirtschaftslehre im „Schnelldurchgang“ ein heilsamer Schock mit begrenztem Schadensverlauf.