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Contergan – 50. Jahrestag der Rücknahme vom Markt

Ein Anlass wieder einmal hier auf den bisher unerträglichen Umgang mit den Thalidomid-Geschädigten aufmerksam zu machen.

Am Freitag, 25.11.2011, wird in der ARD, das Erste, der Zweiteiler „Eine einzige Tablette“ um 21.45 Uhr (Teil 1) und 23.00 Uhr (Teil 2) als Wiederholung ausgestrahlt.

Lange hat es gedauert bis die Wahrheit über Contergan ans Tageslicht kommt.
Dazu möchte ich hier auf das Buch von Stephan Nuding hinweisen:

„Profit vor Menschenrecht
Die Geschichte des Contergan – Verbrechens vom Dritten Reich bis heute“
(ISBN 978-90-76332-71-0)


ab sofort beim Dr. Rath Education Service B.V.
bestellt werden kann.

Unabhängig von ihm habe ich auch selbst Spurensuche betrieben und die einschlägigen Bücher von Historikern schon in früheren Artikeln angegeben, woraus sich Hinweise ergeben, dass Wirkungen der Inhaltsstoffe der Contergan-Formel bereits im Dritten Reich entwickelt wurden und Fachleuten bekannt waren.

Wer behauptet: „Ich / Wir haben nichts gewusst!“, wollte wohl nichts wissen, obwohl es informierten Persönlichkeiten bekannt war!
Dazu hier nun ein eingebettetes Video, welches auf der Webseite vidup.de veröffentlicht ist.

Dass Contergan auch ein Thema in den USA ist, kann auf der Webseite von Hagens Berman hbsslaw.com in einem Video angesehen und gehört werden.

Nach diesen Ergebnissen kann man wohl nicht anders als von einem Verbrechen sprechen.
Es sind nach meiner Einschätzung Vertuschungen und Täuschungen vorgenommen worden, aber nicht die erforderlichen Massnahmen gegen dieses Verbrechen durchgeführt worden.
Bis heute wird nicht dem Vorwurf des Prozessbetruges nachgegangen.

Es gab seinerzeit und gibt bis heute keine Entschuldigung des Staates für sein Versagen auf dem Gebiete des Schutzes der Menschen durch dieses gefährliche Medikament gegenüber den Thalidomid-Geschädigten und ihren Eltern sowie einer nicht genau zu beziffernden Anzahl von Tötungen/Morde von Foeten den betroffenen Eltern gegenüber!
Es gab seinerzeit und gibt bis heute keine Entschuldigung des Staates und seiner Behörden für die unterlassenen Handlungen auf dem Gebiet der Strafverfolgung von Straftätern und Unterstützern, die z.B. dem vorliegenden Haftbefehl des Staates Polen gegen den Entwickler nicht nach kamen und so ein unbehelligtes Leben und Wirken von Dr. Heinrich Mückter in der Firma Grünenthal ermöglichten.
Es gab seinerzeit und gibt bis heute keine Entschuldigung der Herstellerfirma über das verursachte Leid gegenüber den Betroffenen!
Es gab seinerzeit lediglich Verweise darauf, dass die möglichen Gründe für die Schädigungen wo anders zu suchen seien, als bei der Wirkung des Medikamentes. Beschämend für die Eltern, die sich Hilfe erhofften.
Es gab seinerzeit und gibt bis heute keine angemessene Entschädigung für den angerichteten Schaden an die Geschädigten, welche nach meiner Auffassung neben den benötigen Hilfen auch Schmerzensgeldzahlungen umfassen muss.

Es gibt lediglich die völlig unzureichende Kapitalentschädigung und Rentenzahlungen nach dem Stiftungsgesetz, welches auch erst spät und unzulänglich vom Bundestag verabschiedet wurde.
Damit sollte der Skandal beendet werden, doch kommt es einem heute so vor, dass damit nur „Blaupausen“ für folgende Katastrophen bis in die heutige Zeit gelegt wurden.

Contergan – Beteiligung an der Bedarfsforschung

Auf der Webseite des Bundesverbandes Contergangeschädigter wird nun über die Beteiligung berichtet:

Kraftvoller Start mit kraftvoller Fortsetzung.
Über 30 % der Contergangeschädigten beteiligen sich am Forschungsprojekt zur Ermittlung des
Unterstützungsbedarfs der Betroffenen

Und hier die dazu gehörigen Zahlenangaben aus der Pressemitteilung:

Die Zahlen im Einzelnen
Von den in Deutschland lebenden ca. 2.380 Betroffenen haben
– 810 der Betroffenen die Fragebögen ausgefüllt zurückgeschickt. Das entspricht einer Quote von
mehr als 30 % (Stand 05.05.2011).
– 297 Personen weiterführenden Interviews durch das Institut für Gerontologie Heidelberg
zugestimmt.
– 208 ihre Einwilligung gegeben, den Arzt ihres Vertrauens durch das Institut für Gerontologie
Heidelberg befragen zu lassen.
– 158 ihre Bereitschaft zu konzeptioneller Mitarbeit im Rahmen von Fokusgruppen zugesichert.

Für mich, die sich ganz bewusst nicht an dieser Art unseriöser Forschung beteiligt hat, wäre solch eine Beteiligungsquote kein Grund von einem kraftvollen Start zu sprechen; außer man erklärt eine „Minderheit“ für eine „Mehrheit“.

Mehrheit bedeutet in einem demokratischen Verständnis eine Beteiligung von mehr als 50%.

Insofern stellt sich die Frage, ob bei solch einem mageren Beteiligungsergebnis die gesammelten Datensätze überhaupt für eine wissenschaftlich zuverlässige und aussagekräftige Forschung herangezogen werden können.

Aus meiner Sicht ist dieses Forschungsvorhaben gründlich gescheitert!
Das ist auch gut so, denn es war, aus Nebensätzen der von mir angesprochenen Personen zu erkennen:
Es steht keine Verbesserung für jeden einzelnen Betroffenen dadurch in Aussicht, sondern es wird nur nach guten unwiderlegbaren Begründungen eines Umverteilungsanspruches unter den Contergan-/Thalidomidgeschädigten gesucht!

Als Contergan-/Thalidomidgeschädigte fordere ich die Anerkennung und dazu gehörige Schadenersatzleistung von Seiten des Staates, welche er mit der Haftungsübernahme eingegangen ist!
Es sind, nach meiner Einschätzung, schon reichliche Verfehlungen im Umgang mit diesem Skandal vorgekommen, sodass man bald nicht mehr daran vorbei kommt dieses als ein Verbrechen zu bezeichnen. (Höflich ausgedrückt!)

Contergan – Bedarfsforschung für Geschädigte mit Fragen zum Sexualleben, Einstellung zu gesellschaftlichen Fragen, private Kontakte sowie private Auskünfte über Familienmitglieder

Dazu habe ich die folgende E-Mail erhalten, welche ich hier auch gerne zur Information bereit stellen möchte.

An:
Alle Opfer des Conterganverbrechens
– Veröffentlichung und Weiterleitung
erbeten und erwünscht –

Liebe Mitbetroffene,

inzwischen liegen uns – mit monatelanger Verzögerung – die Fragebögen
bzgl. der „Bedarfsforschung“ vor.
Zugeben: Die Fragen übertreffen selbst unsere „kühnsten“ Erwartungen!

Wir sagen: Wir lassen weder unser Sexualleben, noch unsere Einstellung
zu gesellschaftlichen Fragen, unserem privaten Umfeld oder
unserer Lebenseinstellung „erforschen“!

Wir lehnen diese ab, da sie in keinem Zusammenhang
mit unserer Forderung nach Schadensersatz oder unseren
Vergiftungen und Verstümmelungen durch Thalidomid/ Contergan
Stehen!

Wir fordern: Schadensersatz statt pauschalisiertem Hilfsbedarf oder
„noch zu ermittelnder“ Bedarfe!

Aus zahlreichen Briefen und Gesprächen wissen wir, dass viele von
Euch nicht bereit sind den Fragebogen auszufüllen und zurück zu
senden.
Individuelle Verweigerung im Stillen aber nützt nichts!

Machen wir der Conterganstiftung, dem BMFSFJ und der Bundesregierung
klar, dass wir uns nicht länger erforschen, pauschalisieren und
hinhalten lassen!

Daher unsere Bitte:
Sendet die Fragebögen unausgefüllt – wer möchte mit
einem Protestschreiben versehen – an obige Adresse des
U.A.C. bis spätestens 30.4.2011 zurück.
Bitte behaltet die voradressierten Rückumschlage und Einverständnis-
erklärungen bei Euch.
Wir möchten nicht, dass man uns eine Manipulation der Forschungsergebnisse
vorwerfen kann.

Die Fragebögen werden wir dann – persönlich und medienwirksam –
der Conterganstiftung übergeben.
Natürlich werden wir den Termin frühzeitig bekannt geben, damit Ihr
dabei sein könnt!

BEDARFSFORSCHUNG?
NICHT MIT UNS!!!!!!

Gerne stehen wir Euch bei Rückfragen zur Verfügung.

Mit herzlichen und solidarischen Grüßen

Gihan Higasi
(stellv. Sprecherin U.A.C.)

Stephan Nuding
(Sprecher U.A.C.)

Diese Bedarfsforschung beruht auf dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Angemessene und zukunftsorientierte Unterstützung der Contergangeschädigten sicherstellen,
Drucksache 16/11223, vom 03.12.2008.
Als PDF-Dokument hier nachzulesen.

Eine gut gemeinte Idee in wieder einmal mieser Ausführung, nach meiner Auffassung!
Es werden Fragen gestellt und Antworten vorgegeben, welche nach meiner Einschätzung, nicht ziel führend erscheinen die jetzigen Bedürfnisse, geschweige denn, die noch zukünftigen auftretenden Bedürfnisse des Einzelnen, abzubilden.
Dafür zielen die Fragen vielmehr in die Richtung, ob jemand jetzt schon eine Hilfestellung erhält oder welche Familienangehörigen es zukünftig leisten könnten. Fast könnte man den Eindruck erhalten, hier werden die Fragen für Ansprüche aus der Pflegeversicherung abgefragt ohne die genauen Zeitangaben.

Einige der Betroffenen vertreten ja die Auffassung füllt den Bogen aus und gut ist.
Das erscheint mir jedoch nicht so einfach, denn meine jetzigen Anforderungen kommen weder in den Fragestellungen noch in den Antwortmöglichkeiten vor. Außerdem erscheinen mir einige Fragen so formuliert zu sein, dass sich der Eindruck nicht vermeiden lässt als wäre die/der Geschädigte psychisch vorbelastet.
Nur ein kleiner Teil bezieht sich auf die Schädigungen und die Folgen. Auch hier ist es meines Erachtens teilweise ohne ärztliche Rücksprache kaum möglich die richtige Antwort zu geben. Welcher Betroffene kennt schon seine Röntgenbilder und die dazu gehörige Bezeichnung so genau.

Dazu kommen noch Fragen zum Datenschutz, der gewährleistet sein soll. Doch neben dem Fragebogen gibt es auch eine Einwilligungserklärung für den behandelnden Arzt, ob er an der Befragung teilnehmen möchte sowie zu einer persönlichen Befragung.
Aus den persönlichen Angaben des Fragebogens sowie des behandelnden Arztes lässt sich jedoch schnell eine Kombination bilden, wonach dann der Betroffene ermittelt werden kann. Schließlich sind die Thalidomid-Geschädigten eine nicht so große Gruppe und ein Computer stellt keine Datenschutzfragen, sondern verarbeitet die Daten entsprechend dem angewendetem Programm.

Mir sind während meines Lebens von einzelnen Ärzten oder Psychologen oder Physiotherapeuten schon einige merkwürdige Fragen gestellt worden, aber sie kamen von diesen Personen in Bezug zu einer konkreten Behandlung oder Untersuchung. Bei vielen Fragen lässt sich dieser Bezug zur Schädigung teilweise nur schwer bis gar nicht herstellen.

Meine skeptischen Anmerkungen beruhen auf den Erfahrungen, welche ich privat sowie beruflich erworben habe.
Wenn man bedenkt, dass dieser Staat das Subsidiaritätsprinzip (einfach ausgedrückt: der Staat springt ein oder hilft nur, wenn niemand anderes dazu verpflichtet ist oder herangezogen werden kann) anwendet oder anwenden sollte, dann kommt man an der Frage nicht vorbei: Wieso wird hier nicht danach gehandelt?
Es gibt für die Thalidomid-Geschädigten einen Schädiger, den der Staat damals auf Grund von verschiedensten Einflussnahmen geschont hat, um keinen Präzedenzfall für die Haftung von der Industrie (hier besonders die Chemie und Pharmazie) zu schaffen. Deshalb hat er diese Haftung übernommen.
Dazu kommt nach meiner Einschätzung, dass auch der Schutz der Bevölkerung vor körperlicher Unversehrtheit bei Medikamenteneinnahmen im ehemaligen Bundesgesundheitsministerium in den frühen Jahren nach dem Krieg wohl nicht so hoch angesehen war. Vielmehr eine Förderung der Industrie, einschließlich der Pharma-Industrie, fand große Aufmerksamkeit.

Ich erwarte daher, dass die UN-Menschenrechts-Charta (erfasst vom Artikel 25 des Grundgesetzes) sowie die Bestimmungen unseres Grundgesetzes in diesem Lande Beachtung findet.

Die Schädigungen und deren Folgen durch die Einnahme von Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid von der Mutter während der ersten drei Monate der Schwangerschaft sind für die geschädigten Menschen eine Beeinträchtigung, welche heute mit der Bezeichnung Behinderung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit versehen ist. Klingt vielleicht freundlicher, aber beachtet nicht den Unterschied zu anderen unabwendbaren Beeinträchtigungen, welche sich aus einer unbeeinflussten Entwicklung eines Fötus ergibt. Von daher ist eine Gleichbehandlung nach Artikel 3 des Grundgesetzes mit anderen Behinderten nach meiner Auffassung auch nicht gegeben. Diese Besonderheit, erscheint mir, kennen einige Juristen nicht oder wollen es vielleicht auch nicht wissen und beachten.

Es geht also nicht um einen Bedarfsnachweis von Seiten der Thalidomid-Geschädigten, sondern um eine den Beeinträchtigungen entsprechende Entschädigung für den angerichteten Schaden.